Calltime ist nicht gleich Startzeit

Calltime ist nicht gleich Startzeit. Dieser Satz wirkt banal, aber er trennt funktionierende Sets von solchen, die ab Minute 1 unter Druck stehen. In einer Branche, in der Minuten mitunter vierstellige Beträge kosten, könnte man meinen, jede Sekunde zähle gleich viel. Tut sie aber nicht. Es gibt Zeitfenster, die sind unbezahlbar. Das Zeitfenster zwischen Calltime und „Kamera läuft“ ist genau so eines.

Die Gleichsetzung: Eine stille Quelle für Stress

Die Calltime ist der Moment, zu dem ein Department am Set sein soll. Nicht der Zeitpunkt, an dem der erste Take gedreht wird. Wer Calltime gleichsetzt mit „alle sind bereit“, bringt das ganze Set in eine mentale Schieflage. Es entsteht Druck, bevor überhaupt alle Funkgeräte verteilt sind. Es entsteht Tempo, bevor die Gewerke überhaupt in Position sind. Und was als ambitionierter Zeitplan beginnt, endet oft als hektische Improvisation.

30 Minuten, die den Unterschied machen

Ein Set braucht Anlauf. Und zwar nicht nur für Kamera, Licht oder Maske. Sondern für alle: Technik, Regie, Produktion, Set-AL, Locations, Client, Agentur. Wer glaubt, 08:00 Calltime heißt 08:01 Drehbeginn, hat weder je aufgebaut noch den ersten Kaffee des Tages getrunken.

Diese ersten 30 Minuten dienen der Orientierung. Der Status wird geprüft: Sind alle da? Ist das Setup so, wie besprochen? Gibt es Änderungen, Updates, neue Sicherheitsvorgaben, Logistikwege oder Sperrungen?

Eine saubere Tagesdispo ist das eine. Der Realitätscheck vor Ort das andere.

Struktur braucht Respekt

Calltime ist der Einstieg. Die nächste halbe Stunde ist die Bestandsaufnahme. Und erst wenn diese stabil steht, kann gestartet werden.

Wer diese Phase nicht respektiert, erzeugt Unsicherheit. Wer sie zu eng taktet, produziert Fehler. Und wer sie gar nicht mitplant, sabotiert sich selbst.

Die „erste halbe Stunde“ ist der Ort für letzte Checks, Rückfragen, Weganpassungen, Techniktests, Maske & Kostüm-Korrekturen und Updates mit Client & Agentur.

Der Mythos „effizient“

Zu oft wird diese Zeit als ineffizient abgetan. Als Leerlauf, der optimiert werden müsse. Aber in Wahrheit ist genau das die effizienteste Phase des Tages. Denn jede Minute, die dort sauber läuft, spart hinten raus zehn weitere. Jedes Setup, das mit Klarheit und Absprache beginnt, endet schneller und besser.

Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Drehtag liegt oft genau hier: In der Frage, wie das Team in den Tag startet.

Die Verantwortung liegt bei allen

Produktion muss diesen Raum bewusst einplanen. Regieassistenz und Set-ALs müssen ihn durchstrukturieren. Crew und Departments müssen ihn ernst nehmen. Und Agentur & Client müssen verstehen, dass diese Zeit kein Pausenpuffer ist, sondern Fundament für die nächsten 10 Stunden.

Calltime ist kein Startschuss. Es ist die Tür ins System. Wer hier zu früh auf Play drückt, zerstört Rhythmus, Konzentration und Qualität.

Also bitte: Lasst uns diese halbe Stunde nicht „opfern“ für einen Take mehr, sondern „investieren“ in einen Tag, der funktioniert.

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